Michiel Lochtenbergh im Gespräch mit Oberberg-Aktuell.de über die Entwicklung seiner Mannschaft, Aufstiegsträume und seine Vertragsverlängerung beim HC Gelpe/Strombach.

OA: Herr Lochtenbergh, im Sommer war das Ziel „Da sein, wenn andere schwächeln“. Warum schwächelte aber ausgerechnet Ihr Team nachdem die Tabellenspitze erobert wurde?

Lochtenbergh: Das war eigentlich relativ klar, dass wir so etwas erleben müssen. Wir haben die Quittung für die Wochen davor bekommen, in denen wir mit Krankheiten und Verletzungen zu kämpfen hatten. Da fehlten irgendwann die Alternativen.

OA: Insgesamt hat Ihre Mannschaft aber eine sehr gute Hinrunde gespielt. Hatten Sie damit insgeheim gerechnet?

Lochtenbergh: Unser Motto kam ja nicht von ungefähr. Entwicklungen sind zwar nie einzuschätzen, aber man merkte, dass es in die richtige Richtung geht. Wir mussten im Sommer kaum Neuzugänge integrieren und die Jungs haben trotz der Ausfälle von Christopher Suhr und Sean Borgard den nächsten Schritt gemacht. Unser System hat immer mehr gegriffen und es haben sich Automatismen entwickelt. Anderen Teams haben Punkte liegen lassen und wir waren zur Stelle. Wir sind auf einem Tabellenstand, wo wir auch hingehören.

OA: Gas es echte Highlights?

Lochtenbergh: Echte Highlights hatten wir nicht. Das Remis gegen Derschlag haben wir selbst hergeschenkt. Gegen Weiden haben wir verloren und auch die knappe Niederlage gegen Pulheim war kein versöhnlicher Abschluss. Daher war die Konstanz über die gesamte Hinrunde so etwas wie unser Highlight.

OA: Man hört von Ihnen häufig, die Mannschaft dürfe eine gewisse Untergrenze nicht unterschreiten. Können Sie das ein wenig näher erläutern?

Lochtenbergh: Man spricht immer so schön davon, frei Schnauze zu spielen. Dann ist man aber auch rein auf individuelle Qualitäten und Form angewiesen. Damit fehlen aber die Stellschrauben, an denen man drehen könnte. Sport macht am meisten Spaß, wenn man viel gewinnt. Das heißt auch erfolgreich zu sein. Aber dafür muss man Risiken minimieren. Gerade an unseren jungen Spielern merkt man, dass sie sich in einem klaren System sehr wohl fühlen. Spieler müssen auch ein Gefühl dafür entwickeln, wo ist meine Untergrenze. Jeder Spieler weiß bei uns, was er zu tun hat und was er zu lassen hat. Entsprechend versuchen wir unsere Risiken zu minimieren und schauen, wer in den jeweiligen Spielen in der Lage ist, herauszustechen und uns den entscheidenden Vorteil zu bringen.

OA: Haben sich die Zielsetzungen für die Rückrunde geändert? Bei nur zwei Punkten Rückstand auf den TuS Derschlag darf man doch sicher von mehr träumen?

Lochtenbergh: Unsere Ziele liegen eher in der Entwicklung der Mannschaft und sind nicht rein auf die Tabelle projiziert. Wir wollen weiter da sein, wenn andere schwächeln. Derzeit sind es nur zwei Punkte, aber wir werden unsere Arbeitsweise deshalb nicht ändern. Wir versuchen weiter das für uns beste Ergebnis rauszuholen. Das mache ich auch nicht von einem Tabellenplatz abhängig.

OA: Eine Meisterschaft kann man also nicht planen?

Lochtenbergh: Das kann man schon, aber geben Sie mir dafür nochmal zwei Jahre. (lacht) Man muss eine Gruppe von Spielern um sich scharen und diese entwickeln. So lange im Verein dieses Bewusstsein da ist, kann man daran langfristig arbeiten. Auch wenn wir natürlich gerne aufsteigen würden.

OA: Sie haben Ihren Vertrag gerade erst per Handschlag um ein weiteres Jahr verlängert. Waren die Gespräche so schnell erledigt?

Lochtenbergh: (lachend) Welche Gespräche? Nein ernsthaft, wir sind in sehr engem Kontakt. Sowohl mit dem Trainerstab, der Mannschaft als auch mit dem Vorstand. Es gibt Wochen, da haben wir täglichen Kontakt. Wir sind sehr viel damit beschäftigt, was wir alles noch verbessern müssen und wollen. Es ging nie darum, ob ich bleibe oder nicht, sondern darum was wir alles noch machen wollen. Das ist bei uns einfach ein wenig anders.

OA: Wie sehen die Kaderplanungen für das kommende Jahr aus? Bereits im letzten Sommer waren die Aktivitäten auf dem Spielermarkt ungewohnt ruhig.

Lochtenbergh: Wir haben gewisse Voraussetzungen an neue Spieler. Sie sollen aus der Region kommen, dazu einen ambitionierten Spiel- und Trainingsbetrieb mitmachen. Außerdem sollen sich die Jungs mit unserem Verein und den Zielen identifizieren. Dadurch ist unser Raster recht kleinmaschig und es bleibt wenig liegen. Natürlich haben wir Spieler im Hinterkopf, bei denen wir sagen, die bringen uns weiter. Wir sind in Gesprächen, aber da gibt es noch nichts zu vermelden. Das wird aber unabhängig der Liga kommende Saison sein. Die Spieler sollen unser Konzept mittragen.

OA: Sie bezeichnen Ihre Aufgabe beim HC Gelpe/Strombach gerne als langfristiges Projekt. Wann muss der Aufstieg in die Nordrheinliga gelingen?

Lochtenbergh: Es muss gar nichts. Alles mit der Zeit. Ein Aufstieg muss auch Sinn machen. Wir benötigen auch einen Kader, um die Klasse halten zu können. Ich sehe es aus meiner aktiven Zeit in Dormagen. Auch dort sind wir in der Bundesliga geblieben, weil wir ein Fundament hatten. Man sieht es aktuell auch an BTB Aachen. Die haben ebenfalls keine Probleme, weil dort über Jahre gute Arbeit gemacht wird. Wir brauchen feste Mechanismen in der Mannschaft, die uns nicht nur in einzelnen Spielen weiterbringen, sondern auch in den kommenden Jahren tragen. Wir hätten unser Spiel durchaus anders anlegen können, aber das hätte unsere jungen Spieler nicht weiterentwickelt. Natürlich wollen wir irgendwann aufsteigen, sonst müssten wir das hier alles nicht machen. Aufsteigen wollen aber auch einige Andere, daher muss man auch schauen, was realistisch ist

OA: Glauben Sie, dass die Weltmeisterschaft noch einmal eine Hype auslösen wird, der auch nachhaltig sein kann?

Lochtenbergh: So ein Turnier löst immer einen Hype aus, gerade wenn das deutsche Team gut spielt und begeistern kann. Man muss aber nicht drumherum reden, dass Handball nur die Nummer zwei ist und auch niemals die Nummer eins werden wird. Gleichzeitig aber auch niemals von dieser zweiten Position verdrängt werden wird. Ich glaube nicht, dass es noch einmal einen riesigen Schub bringen wird. Gerade Vereine, die mit Mitgliederschwund und demographischen Problemen zu kämpfen haben, sollten diese Phase aber nutzen, sich interessant für Jugendliche und Sponsoren zu machen. Diese Chancen sind aber auch gegeben, wenn es keine Weltmeisterschaft im eigenen Land gibt. Nachhaltige Effekte können nur in den Vereinen selbst geschaffen werden.

Interview: Oberberg-Aktuell.de.